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Alltag & Poesie

Einmischung per Technik, state of the art: Graffiti Research Lab

Kaum jemand schafft es, den öffentlichen Raum auf so hohem Niveau der Technik zu bespielen und gleichzeitig diverse
Fenster zu öffnen, die es erlauben miteinander zu kommunizieren. Die Devise lautet:

Outfitting graffiti artists with open source technologies for urban communication

Genau das wird getan und zwar auf enorm kreative Art und Weise. Das Institut für Brimboriaforschung möchte hier drei Beispiele für die Arbeit des GRAFFITI RESEARCH LAB geben und zum Nachmachen, Selbermachen, Bessermachen anregen.

1. L.A.S.E.R Tag

Was man benötigt sind ein Beamer, ein Laptop, eine Kamera und ein Laserpointer. Die Kamera wird auf eine beliebige Wand gerichtet und sendet das aufgenommene Bild an den Rechner. Dort wird das Bild von dem Projektor wieder an die Wand geworfen. Sobald vom Laserpointer gezogene Linien an der Wand auftauchen, nimmt die Kamera diese Linien wahr und ein vom GRL programmiertes Open Source Programm lässt den Beamer die Linien an die Wand werfen.
Riesige, „handgemalte“ Projektionen werden damit möglich, wie hier zu beobachten:


2. Throwies

An Einfachheit im Verhältnis zum erreichten Effekt sind die „Throwies“ (zu dt. vielleicht „Werflinge“) kaum zu toppen. Eine oder mehrere LEDs an eine Knopfzellenbatterie angeschlossen, werden sie an einen Magneten geklebt.
Die Wurfgeschosse haften dann an diversen metallischen Oberflächen, wie zum Beispiel Brücken, Wänden oder Strassenbahnen. Großartig vor allem, weil völlig Unbeteiligte in das Geschehen eingebunden werden können, die nie daran denken würden im urbanen
Raum Ursache von Kunst zu sein.

3. Eye Writer

Ein wirklich grandioses Stück Technik, das ALS-Patienten ermöglicht per Bewegung der Pupille zu malen. Das Ganze ist für weniger als 50$ zu realisieren, so GRL. Hier benutzt der Graffiti-Writer Tempt das Gerät:

The Eyewriter from Evan Roth on Vimeo.

Einen Überblick über einen großen Teil der Arbeiten des GRL bietet die „Complete First Season“. Das Video ist kostenlos per Torrent herunterzuladen und stellt eine äußerst empfehlenswerte Sammlung der Arbeiten und ihrer Entstehung/Anwendung dar.

Und nun geht raus und spielt mit eurer Umwelt!

Bild: http://graffitiresearchlab.com

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Sexismus via tagesschau.de

Was passiert, wenn man empirische Sozialforscher von der Leine lässt kann man gerade ganz wunderbar bei diesem tagesschau.de Artikel nachlesen.

Zunächst kam also das Experiment. Eine These wird aufgestellt und deren Richtigkeit durch die Wiederholung des Versuches mit verschiedenen Probanden untersucht. Kann ja auch nützlich sein, so eine Herangehensweise, wäre nur besser, wenn die These auch theoretisch fundiert ist und kein bürgerlicher Aberglaube wie in diesem Falle (These: Mann kann besser Einparken als Frau).

Das verblüffende und völlig überraschende Ergebnis: Frau braucht nicht nur länger sondern steht dann auch noch total schief.

Und nun kommen die Empriker zum Einsatz. Wie deutet man das denn jetzt? Die Antwort ist ganz klar, Frauen sind für sowas schlicht nicht in der Lage, aufgrund ihrer Biopsychologie und so. So schnell werden aus sozialen Konstrukten vollkommen natürliche Tatsachen geschafft.

Mal ganz abgesehen davon, dass es sich bei dieser ganzen Untersuchung um bloßen Positivismus handelt – so ist dieser Unsinn aber leider nicht nur Alltagsschrott, den man gar nicht zur Kenntnis nehmen sollte. Es ist sexistische Kackscheiße, die über eines der größten deutschsprachigen Nachrichtenportale verbreitet wird.

(via)

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Herz und Verstand bei der Deutschen Post

Die Furcht der CDU sitzt naturgemäß tief: böse, böse Kommunisten, die sich unter Vortäuschung von Demokratiefreundlichkeit in die Parlamente schleichen um dort ihre Pläne zur Errichtung eines neuen Unrechtsstaats durch Agitation und Populismus zu verwirklichen. Solche oder ähnliche Gespenster müssen im Kopf des Stadtverordneten Hans Heuser der CDU-Fraktion im Frankfurter Römer rumgespukt haben, als er von „Post-Kommunisten“ im Parlament gesprochen hat. Die Linke-Fraktion wunderte sich und schließt absolut folgerichtig, dass „Herr Heuser nur Kommunisten mit einem Dienstverhältnis bei der Deutschen Post AG gemeint haben kann.“ Daraufhin wird nachgehakt und ein Dokument der Frankfurter Pressestelle zugestellt, die den Sachverhalt aus Sicht der Linken wiedergibt.

Dort reagiert man leicht verwundert, nimmt die Sache mit Humor und wagt sogar den „Versuch einer philosophischen Annäherung“:

Wer als Achtzehnjähriger kein Kommunist ist, hat kein Herz. Wer aber mit vierzig Jahren immer noch kein Kommunist ist, hat keinen Verstand.

Da es bei der Frankfurter Post sowohl Menschen mit Herz als auch mit Verstand gebe, seien doch wohl einige Kommunisten unter den Mitarbeitern, vermutet der Pressesprecher.

Die Reaktion ist umso bewundernswerter, als dass die Post immerwieder Kritik von linken UmweltschützerInnen, Hackern und anderen SpassmacherInnen einstecken musste.
Anfang der 80er gab der Bundespostminister und Geschäftsführer des Batterieherstellers „Sonnenschein“ Christian Schwarz-Schelling häufig Anlass zu Fakes. Überliefert ist dieser damals sehr beliebte Aufkleber:

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aus: „Dieses Buch ist pure Fälschung“, hrsg. v. P. Huth u. E. Volland, FfM, 1989

Er spielt auf die eher umweltunfreundlichen Machenschaften der „Accumulatorenfabrik Sonnenschein GmbH“ an.

Des weiteren gelangte das von R. Schrutzki entworfene „Pesthörnchen“ zu einiger Berühmtheit als Logo des „Chaos Computer Clubs“.

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Quelle: www.schrutzki.net

Es karikiert das alte Bundespostlogo und gilt heute noch als Logo des CCC(übrigens ursprünglich entworfen für den „FoeBuD e.V.“, bekannt für seine kreativen und subversiven Umtriebe)

In Anbetracht dieser Kritik stimmt es doch froh zu sehen, dass die Post doch kein soreaktionärer Haufen ist wie immer angenommen.

Chapeau!

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Heute schon ein Minarett gebaut?

Das Volk hat gesprochen, durch eine gemeinsame Entscheidung, namentlich: die schweizer Volksinitiative „Gegen den Bau von Minaretten“.
Nun ist es beschlossene Sache: in der Schweiz dürfen keine Moscheen mehr mit Minaretten versehen werden. Minarette, diese „Speerspitzen schleichender Islamisierung“. Mit solchen oder so ähnlichen Sprüchen auf den Lippen kann man auch hierzulande zuhauf Menschen finden (man denke nur an die hässliche „pro-Köln“-Kampange). Es bleibt zu überlegen inwiefern unkritisch Volksentscheide in Demokratien zu sehen sind, die derart eklatant von Ideologien durchzogen sind, dass sogar in der „neutralen Schweiz“ sich knapp zwei Drittel der Bürger gegen ein bestimmtes Symbol einer als bedrohlich angesehenen Religion entscheiden.

Hier muss das BrimboriaInstitut einhaken: Diese Beschreibung ist unseres Erachtens unvollständig. Offensichtlich entschieden diese Leute nicht nur über den Bau eines bestimmten Turms. Es handelt sich hierbei insbesondere um fremde Türme. Es ist ja nicht so das die Gotteshäuser des Christentums denen des Islams besonders nachstehen müssten, was übertriebenen Prunk oder ungewöhnliche Architektur angeht.
An solche Anblicke ist der gemeine Bürger allerdings gewöhnt. Doch wo Moschee dransteht sind nämlich meist Ausländer drin, so geht es also froh und munter an die Verteidigung des Abendlandes, was bei Lichte gesehen auch nicht viel mehr als ein konstruiertes Kollektiv ist, (wie immer inklusive mannigfaltiger Kultur und weitreichenderGeschichte). Dieses Kollektiv lässt sich dann auch perfekt als Schablone für bekanntalso gut und fremd also schlecht benutzen.
Da ist es dann auch Essig mit der „mannigfaltigen Kultur“, im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Minarette abbauen. Dass es sowieso einen substantiellen Verstoß gegen jede Religionsfreiheit darstellt Teile eines Gotteshauses zu verbieten, muss hier nicht näher erläutert werden.

Ganz zum Thema passend und aus der Reihe „Subversive Protestformen in der Adventszeit“ hat das BrimboriaInstitut einen ganz besonderen Bastelspass für die kalten Stunden aufstöbert:
Das Genfer Atelier „Dirtyhands“ hat einen sehr schicken Bogen gestaltet, der sich hervorragend eignet um das eigene Dach/Fensterbrett zu gestalten und zur aktuellen Debatte Stellung zu beziehen.

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Wer dabei auf den Geschmack gekommen ist, sollte sich am besten gleich für denWettbewerb des Online-Mags Archinect bewerben. Gesucht sind Ideen für mobile Minarette, genaueres erfährt man auf der Website.

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Via.

Nachtrag:
Der Geschäftsführer einer schweizer Schuhladenkette hat ein Minarett auf einem Dach des Firmengeländes errichten lassen.
Selbst gebaut sieht es zumindest aus.

Bilder: Dirtyhands – Atelier de sérigraphie. 2009; archinect. 2009

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Mitteilung unerwünscht – Der Verfassungsschutz klärt den öffentlichen Raum

Das Brimboria Institut setzt sich unter anderem das Ziel, Zeitphänomene mitsamt ihrer gesellschaftlichen Funktion wissenschaftlich aufzuarbeiten. Fangen wir also daher bei dem Comic an, den der Verfassungsschutz im Auftrag des Innenministeriums NRW hat anfertigen lassen. Dieser behandelt nach anderen Ausgaben zum Thema Rechtsextreme und Islamisten diesmal Linksextreme und ihre Verführungskräfte. Diese Publikation scheint uns geeignet unser Selbstverständnis anzudeuten.

Die Geschichte verfolgt den Abstieg von Ben in die linksextreme Szene. Die Einstiegsdroge ist wie so oft Propaganda via Musik, er besucht ein Konzert in einer besetzten Fabrik. Als er sich mit entfernten Bekannten vor der Location unterhält, erklären diese ihm kurz prägnant informativ die Grundsteine ihrer politischen Arbeit. Zitiert werden die üblichen verkürzt gesellschaftskritischen Ansichten, von fiesen Spekulanten und Bonzen ist die Rede. „Alter“, er habe die Texte gehört, „Widerstand ist Pflicht“. Gesagt, getan, Ben sprüht mit zwei neuen Bekannten eine Brückenmauer voll und wird selbstverständlich als einziger erwischt.

Hier nun also die Erläuterung der Vorgänge, jugendgerecht vom Verfassungsschutz aufgearbeitet: „Es ist aber schon dann Sachbeschädigung (geregelt nach Paragraf 303 des StGb), wenn man einen Gegenstand verunstaltet – schließlich möchte jeder selber entscheiden, ob auf seinen Sachen bestimmte Sprüche oder Bilder zu sehen sind oder nicht. Ben würde sich auch „bedanken“, wenn irgendwer einfach so etwas auf seine Klamotten schreiben würde. Auch die Brücke gehört jemandem – der Stadt oder dem Land oder einer Privatperson. Die müssen natürlich nicht hinnehmen, dass jedermann nach seiner Laune ihre Flächen für ‚Mitteilungen‘ nutzt.“ (S. 12)

Dass eine staatliche Behörde das Problemfeld von Eigentumsverhältnissen im öffentlichen Raum gekonnt umgeht, wird hier relativ deutlich: Eigentumsverhältnisse sind ja seit jeher eine knifflige Sache. Prinzipiell hat Eigentum einen ausschließenden Charakter. Ein Eigentümer und auch nur er verfügt über die Dinge die er besitzt. Was andere mit seinem Kram vorhaben kann ihm egal sein, moderne Staaten schützen das Eigentum von Privatpersonen, wenn nötig mithilfe ihres Gewaltmonopols. Jetzt fragt man sich doch, ob eine demokratische Staatsmacht nicht daran interessiert sein sollte, „dass jedermann nach seiner Laune ihre Flächen für ‚Mitteilungen‘ nutzt“? Schließlich könnte man berechtigterweise annehmen, dem Staat und seinen Institutionen wäre Partizipation wichtig, lebt man doch in einer Demokratie, „Herrschaft des Volkes“. Scheinbar hat sich doch das Mitteilungsbedürfnis unserer drei Linkschaoten auf den öffentlichen Raum beschränkt. Die haben ja nun wirklich nicht die Inhalte irgendwelcher Waschtrommeln oder Kleiderschränke bemalt, wie der VS NRW hier suggeriert. Öffentlicher Raum soll und muss ein Kommunikationsraum sein, auch ohne dass man Werbefläche anmieten muss. (Das Privateigentümer daran wenig Interesse haben anderer Leute ‚Mitteilungen‘ zu dulden, mag verständlich sein.) Doch den öffentlichen Raum per se als Staatseigentum hinzustellen, deren Eigentümer „natürlich nicht hinnehmen“ müssen, dass ihre Bürger ihrem Recht auf Mitsprache nachgehen, ist tendenziell widersprüchlich und verdreht.

Das war unserem Ben natürlich nicht bewusst, war doch das alles ziemlich „kompliziertes Zeug“ was die Linksextremistin da faselte. Daher macht es nur Sinn, dass der Verfassungsschutz dazu raten lässt, diese Chaoten links liegen zu lassen. Dieses Wortspiel erreichte gerade schon fasst die Qualität des Comics. Weiter so!

Bild: © Innenministerium NRW