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Ein Abend Ohne Christian Worch @ 7. Berlin Biennale

EIN ABEND OHNE CHRISTIAN WORCH

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„Ein Abend ohne Christian Worch” ist eine performative Auseinandersetzung mit dem Umgang mit Nazis in der Öffentlichkeit. Hierzu werden die Gäste am 26. Juni 2012 eingeladen, einer Veranstaltung beizuwohnen, zu welcher der führende Kopf der Freien Kameradschaftsszene, Christian Worch, nicht eingeladen wird. So wird dem Publikum die seltene Gelegenheit geboten, sich nicht mit der Theorie der nationalsozialistischen Ideologie auseinanderzusetzen – denn nur wenn man diese nicht nachvollziehbar macht, kann man sie erfolgreich nicht bekämpfen.

LAGEBESCHREIBUNG

Das Böse scheint aus dem Europa des 21. Jahrhunderts beseitigt. Befreit von den ideologischen Geißeln vergangener Zeiten, blickt man auf friedfertige, demokratische Gesellschaften. Konsens ist es, aus der zerstörerischen Vergangenheit gelernt zu haben – wer diesen Konsens nicht mitträgt, sogar in tatkräftige Opposition geht, der muss fahrlässig ungebildet sein oder psychische Störungen aufweisen. Wenn Anders B. Breivik mit einem 1.000-seitigen Manifest in der Schublade, worin er seine Taten erklärt, einen umfangreichen Massenmord begeht, läuft die Analyse der Motivlage auf Geisteskrankheit hinaus. Der »Teufelskiller« wird auf ein Einzelphänomen reduziert, mit ausschließlich ihm zuschreibbaren Beweggründen. Auch die Betrachtung von Nazis in Deutschland verfährt nach diesem schnappreflexartigen Muster: Nazis seien entweder dumm, brutal und gewaltbereit (klassische »Bomberjackennazis«) oder dumm, politisch ungebildet und verblendet (Anzug tragende NPD-Kader). In jedem Fall haben sie kein Verständnis für das demokratische Zusammenleben. Das mag durchaus stimmen, nur wird dabei eine Beschäftigung mit den Gründen für eine solche Weltsicht durch eine Mystifizierung der »Ewiggestrigen« ersetzt, die nicht aus der Geschichte lernen wollen oder dies aufgrund begrenzter intellektueller Fähigkeiten nicht können. Selbst in reflektierteren, antifaschistisch tätigen Gruppen muss das Gegen-Nazis-Sein nicht weiter begründet werden als mit Phrasen vom „menschenverachtenden Gedankengut” oder der Rede von »Rattenfängern«.Diese Reduktion wird der rechten Ideologie und den Argumentationen, die Nazis vortragen, nicht gerecht. Die demokratische Öffentlichkeit ist daher auch nicht in der Lage, adäquat auf deren Argumente zu reagieren. Dass die „Wortergreifungsstrategie” der Nazis bei öffentlichen Veranstaltungen so gut funktioniert, ist auf die Unkenntnis und damit einhergehende Unsouveränität im Umgang mit Ideologemen zurückzuführen. Als Resultat werden Nazis vom öffentlichen Raum ferngehalten und damit weiter verfabelt. Man bestärkt sie ungewollt in ihrer Verortung als „Underdogs” und macht sie nur exklusiver und anziehender für das Heer der Unzufriedenen. Weisen ihre Analysen doch einige Parallelen zu bürgerlichen Positionen auf. Es gilt daher offenzulegen, warum.

Quelle: http://www.berlinbiennale.de/blog/events/ein-abend-ohne-christian-worch-von-brimboria-institut